Unterwegs in der Unterwelt der irischen Hauptstadt
„Are you sure? Are your really sure? You want to go down there? I am Dracula and I bid you a wellcome.“ Mit diesen Worten wies uns unser Guide den Weg in die Unterwelt. Den Weg in die Krypta der St. Michans Kirche in Dublin. „We don’t need more pubicity.“ Erklärte uns die Dame am Tickteverkauf, als wir ihr erklärten, dass wir hier gerne eine Podcastepisode aufnehmen würden. Aber grundsätzlich hatte sie nichts dagegen. „Die Führung beginnt da drüben.“ Sie deutete auf den Seitengang gegenüber in dem schon einige andere Besucher warteten. „Dürfen wir den Führer interviewen?“ fragten wir noch. „Das müssen Sie ihn schon selbst fragen.“ Wir durften es dann nicht. Aber eines nach dem anderen.
St. Michans – eine 1.000jährige Geschichte
Die Geschichte der Kirche St. Michans beginnt vor fast 1.000 Jahren. Früher lag sie noch außerhalb der Stadtmauern. Heute ist sie umgeben von Hoch- und Geschäftshäusern. Sie wirkt dazwischen förmlich eingequetscht. Irgendwie übrig geblieben. Ihre Gründung geht zurück auf die Wikinger. Der Name St. Michans stammt möglicherweise aus dem Dänischen. Andere historische Quellen legen aber auch einen irischen Ursprung nahe. Beim heiligen Michan könnte es sich demnach auch um einen irischen Märtyrer handeln.
St. Michans – Inflation der Heiligen
Bei den Iren gibt es eine Unzahl an Heiligen. Von den die einen mehr oder weniger offiziell belegt oder durch Rom anerkannt sind. Aus Prestigegründen erfand sich früher jede Adelsfamilie ihren eigenen Heiligen und kreierte verwandtschaftliche Bande zu ihm.
Der Kirchturm – Relikt des Mittelalters
Der typische irische Kirchturm mit den Zinnen stammt aus dem 15. Jahrhundert. Er ist somit der älteste Gebäudeteil. Das Kirchenschiff wurde 1685 gebaut. Die Form innen ist einem Gerichtssaal nachempfunden. Ansonsten ist der Bau eher unspektakulär. Hübsch ist die mit Schnitzereien verzierten Orgel. Sie Stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist eines der Ältesten noch spielbaren Instrumente Irlands. Um 1742 soll der Komponist und Musiker Friedrich Händel auf ihr konzertiert haben. Der spannende Bereich liegt aber nicht hier, sondern unter der Erde.
Das Highlight liegt unter der Erde
Es sind zwei Krypten, die von außen durch zwei Stahltüren betreten werden können. Eher anmutend wie zwei Bunker- oder Kohlekellertüren. „Da können wir nicht zusammen mit unserer kleinen Tochter runter.“ insofern waren wir uns schon im Vorfeld einig – das haben schon unserer Recherchen ergeben. Also ich zuerst, um dann nachher auf das Kind aufpassen zu können, solange sich Fee die Gruften ansah. Ich zwängte mich durch die Tür die Treppe hinunter. „Es ist verboten, die Särge zu öffnen. Da sie aber zerfallen sind ist das in Ordnung, wenn wir uns den Inhalt anschauen.“ erklärt uns unser Guide. Damit führt er uns weiter in den Gang hinein.
Der Kreuzritter, der Dieb und die Nonne
„Wir haben hier unten eine gleichmäßige und kühle Luft. Zusammen mit dem Methan, das aus dem Boden dringt, sorgt das alles dafür, dass die Körper hier nicht verwesen.“ Die Mumie in der Mitte ist männlich. Ihr fehlt eine Hand. Deshalb vermuten wir, dass es sich bei ihm um einen Dieb handeln könnte. Denn Dieben wurde früher die Hand abgehackt. Dazu fehlen ihm seine beiden Beine. Sie wurden ihm vermutlich abgehackt, weil er sonst nicht in den Sarg gepasst hätte. Es wird behauptet, dass der Dieb später bekehrt und Priester geworden war. Ihm leisten noch eine Nonne und der „Kreuzritter“ Gesellschaft. „Zumindest könnte er ein Kreuzritter gewesen sein.“ berichtet unser Guide. „Gib ihm doch endlich die Hand, wenn er sie dir schon entgegen streckt.“ fordert er einen der Umstehenden auf. Dieser schreckt umgehend merklich zurück. Die Hand des Ritters ist leicht angehoben, so dass er den Eindruck machen könnte, er sei im Begriff sie zum Handschlag auszustrecken. Der Kreuzritter war sehr groß für diese Zeit. Auch ihm wurden die Füße gebrochen, gekreuzt und nach hinten gelegt, damit er in den Sarg passte. Eben diese Verschränkung der Beine wird als Hinweis gewertet, dass er entweder auf einem Kreuzzug oder kurz danach gestorben war.
Ein kopfloser Ritter
Und obwohl er schon seit langem tot ist, hatte er im letzten Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Er hatte nämlich seinen Kopf verloren. Oder vielmehr, er wurde gestohlen. Gestohlen bei einem Einbruch in die Krypta. Dabei wurde auch der Körper der Nonne umgeworfen und weitere Mumien beschädigt. Die Garda konnte aber den Einbrecher erfolgreich ermitteln und den Kopf und weitere gestohlene Knochen wieder beschaffen. Allerdings wurde der Kopf beim Abtransport aus der Krypta durch Regenwasser beschädigt und musste deshalb im Nationalmuseum zwischengeparkt und restauriert werden. Erst danach konnte er wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren.
Helden, Helden, Helden
Ihr wisst, ich liebe diese morbiden Geschichten. Und die von St. Michans sind damit noch nicht zu Ende. Ich habe euch ja schon zwei Episoden vom Friedhof Glasnevin gebracht. Auch dort gab es viel zu erzählen. Allerdings ist der Friedhof Glasnevin viel größer. Auch der Friedhof von St. Michans wäre kein richtiger irischer Friedhof, wenn dort nicht mindestens ein irischer Held begraben wäre, der im Kampf um die irische Unabhängigkeit gegen die englische Vorherrschaft getötet wurde.
Liberté, égalité, fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
In einer der benachbarten Gewölben sind die Särge der Brüder Sheares aufgebahrt. Diese Brüder wollten den Geist der französischen Revolution nach Irland bringen. Aber ihre Pläne wurden verraten. Als Verräter gegen die Krone wurden sie gehenkt, ausgeweidet, gevierteilt und ihre Reste auf der Stadtmauer ausgestellt. Genau so erging es auch William Wallace, dem großen schottischen Nationalheld.
Bram Stokers Giftzwerg
Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass Bram Stoker bei seinen Besuchen in St. Michans für seinen Roman „Dracula“ inspiriert worden sein soll. Er besuchte den Friedhof öfter, weil hier die Gräber der Familie lagen. Bekannt ist ja, dass sich die Figur des Grafen Dracula auf einen gleichnamigen Fürsten aus den Karpaten im heutigen Rumänien bezieht, der seine Feinde zur Abschreckung pfählen ließ. Es gibt aber auch eine andere, rein irische Geschichte der Figur, die als Vorlage für den Dracula gedient haben könnte.
Dracula – Böses Blut
Den Zwerg Abhartach. Ein kleiner, Blut trinkender Giftzwerg. Dreimal musste ihn ein Stammeshäuptling töten, bis er endlich tot bleib. Er kehrte jedes mal aus seinem Grab zurück. Solange, bis er aufrecht mit dem Kopf nach unten begraben wurde. Erst dann war die schwarze Magie gebrochen und es gab Ruhe.
Es gibt sogar auch eine etymologische Herkunft des Wortes „Dracula“. Eine aus dem Gälischen; abstammend von dem Begriff „droc‘ ola“, was soviel wie „böses Blut“ bedeutet.
Links zur Episode:
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