Benimmschule für Fotografen- Ein Knigge für den Karneval in Venedig

Seit Jahren zieht es mich jeden Karneval nah Venedig.

Jedes Jahr entsteht im Vorfeld in vielen, vielen Arbeitsstunden ein neues Kostüm, welches ich dann zum Carnevale ausführe. Einen großen Teil des Tages verbringe ich bei Shootings mit bekannten oder neu kennengelernten Fotografen aus aller Welt. Manche sind mittlerweile viel mehr als nur Bilderlieferanten und wir lassen gemeinsam die Abende in den Kneipen ausklingen und schlürfen gemeinsam den ein oder anderen Spritz.

Doch neben diesen Menschen, die ich beim Karneval keinesfalls missen möchte, gibt es auch schwarze Schafe. Fotografen, die sich den Maske oder ihren Kollegen gegenüber rüpelhaft verhalten oder eine nahezu absolutistische Ich-bin-der-König-hier- Einstellung haben. Ein Beispiel gefällig?

Rudelshooting Burano
Fee umringt von Touristen beim Rudelshooting auf Burano

Shoot me!

Ein Kerl mit Kamera, um die 50 spricht mich an. Ob ich nicht Lust hätte noch abseits vom Rudelshooting ein paar Fotos zu machen. Klar, hab ich. Ich stelle mich an eine fotogene Mauer in der Nähe… doch der Fotograf will noch etwas weiter ziehen.

Gefühlte vier im Stechschritt zurückgelegte Straßen und fünf Brücken weiter hat er seine Kulisse gefunden- und ich bin schweißgebadet und nicht mehr ganz so in Fotolaune. Vor allem weil seine ausgesuchte Mauer irgendwie aussieht wie die, die ich vorgeschlagen hatte… aber gut.

Ich stelle mich an die Mauer, richte mein Kleid – da klickt schon der Auslöser. Vielleicht testet er ja noch die Einstellung. Ich rücke meinen Hut zurecht, da kommt das barsche Kommando: „Look here!“ Etwas konsterniert blicke ich in die Kamera. „No! Like this!“ Er kommt auf mich zu und biegt er erst meinen Arm und dann meinen ganzen Körper zurecht wie ein Kind, das die maximale Beweglichkeit seiner Barbie testet.

Aus dem Augenwinkel sehe einen Aschenbecher auf dem Fensterbrett neben mir, gut sichtbar im Bild. Ich weise den Fotografen darauf hin. „No Problem, I have Photoshop“, höre ich. Ah ja, ist ja auch echt bequemer sowas mit einem Klick mit dem Ergänzungswerkzeug zu entfernen, als im real-Life aus dem Bild zu nehmen! Mein Gott, manchmal wünscht man sich die analogen Zeiten zurück.

Nach ungefähr zwei Minuten hat der Herr dann in Rekordgeschwindigkeit 1000 gleiche Bilder gemacht und sich schon verabschiedet… die versprochenen Fotos habe ich übrigens trotz überreichter Visitenkarte nie bekommen!

Pech nur, dass in Venedig zum Karneval immer mehr oder weniger die gleichen Leute unterwegs sind… wenn mich eben jener Herr nun anspricht, habe ich immer schon massig Termine, gleich eine Verabredung und muss eh nochmal nach meinem Herd schauen 😉

 

Die Erwartungen des Models

Dabei ist es doch ganz einfach: Ich erwarte nicht 1000 mega-geniale Bilder gleich 24 Stunden nach dem Shooting. Ich will gar nicht mit der Luxusjacht zur Location gebracht werden (wobei ich auch nichts dagegen hätte 😉 ).

Ich laufe gerne quer durch Venedig für ein paar schöne Bilder, aber nur wenn ich nicht den Schweinsgalopp einschalten muss oder mich und mein Kostüm betatschen lassen muss!

So macht man es also nicht! Und damit ihr nicht ganz unbeabsichtigt in das ein oder andere Fettnäpfchen tretet, sondern wie ein/e perfekte/r Gentlemen/Lady auftreten könnt, habe ich ein paar Tipps und Tricks zusammengestellt.

Wow! Dieses eine Kostüm gefällt euch besonders gut! Wenn da im Hintergrund nur dicht die ganzen Touris wären…

Da hilft nur eins: Traut euch einfach die Maske anzusprechen! Fragt höflich ob er/ sie Lust hat ein paar Fotos zu machen. Falls Sprachbarrieren auftauchen sollten, klappt das auch in Zeichensprache 😉

Schaut euch vorher am besten kurz um und überlegt wohin ihr die Maske stellen wollt. Führt am Anfang niemanden quer durch Venedig- … ihr kennt euch ja noch nicht und müsst erstmal herausfinden ob die Chemie stimmt!

 

In Venedig müsst ihr kein Meisterfotograf sein!

An alle Fotoanfänger: Keine Scheu! Ihr müsst kein Meisterfotograf sein! Sagt einfach, dass ihr noch Anfänger seid, oder noch am Lernen seid.

Fragt nach einer Visitenkarte oder verteilt selber welche, damit ihr später auch Fotos schicken könnt. Das müssen nicht viele sein, sie müssen nicht super-professionell sein, aber ihr solltet euer Bestes geben und als Dankeschön fürs Posieren auf jeden Fall ein Ergebnis präsentieren!

Alles läuft super, ihr verabredet euch zu einem Shooting? Am besten macht ihr einen groben Zeitrahmen zum Shooten aus. Es ist schon blöd, wenn man nach 30 Minuten das Model stehen lässt und das hatte sich auf 3 Stunden eingestellt (oder umgekehrt).

Ihr habt euch an der Location getroffen und jetzt kann‘s losgehen? Dann bitte nicht nach auf-die- Plätze-fertig-los-Manier drauflos knipsen, sondern kurz innehalten und folgende Checkliste gedanklich abarbeiten:

 

Shooting-Checkliste

Sitzt das Kostüm noch? Muss irgendwas gerichtet werden? Irgendwelche störenden Dinge im Bild? Das können auffällige Sachen wie der Aschenbecher in meinem Beispiel sein, aber auch Zigarettenkippen und das allgegenwärtige Konfetti können stören.

Am besten lasst ihr die Maske nach ein paar Shots auch schnell mal auf dem Display die Fotos checken… vielleicht sitzt der Hut ja schief, oder die Pose sieht nicht so aus wie vom Model beabsichtigt.

À propos Pose: Nicht jede Maske ist ein Topmodel! Bei einigen können Tipps zum Posieren nicht schaden. Am besten ist es natürlich ihr macht diese vor oder gebt präzise Anweisungen… schließlich weiß das Model ja auch nicht wie das Bild aus eurer Perspektive aussieht.

Dabei ist die oberste Regel: No touching! Erstens seid ihr vermutlich nicht so unwiderstehlich, dass jeder von euch angefasst werden möchte. Zweitens wisst ihr ja auch nicht, wer da unterm Kostüm steckt 😉

 

Nicht anfassen!

Nein, Spaß bei Seite: Anfassen geht echt gar nicht! Ich hab zwar kein Problem mit körperlicher Nähe, aber im Kostüm ist das was anderes! Schließlich stecken da sehr viel Herzblut, viele schlaflose Nächte, einiges an Geld und viele Motivations-Sekt-Flaschen drinnen! Mein Kostüm ist wie mein Baby und fremde Babys betatscht ihr ja auch nicht, oder? Na also!

Gut, ich reg mich wieder ab 😉 Also, präzise Anweisungen und selbst vormachen statt angrabschen. Hilfreich ist es natürlich auch wenn ihr dem Model sagt, wenn ihr noch die Einstellungen testet und wann ihr „richtig“ loslegt. Und wer mir noch verrät, ob ich ganz, 3⁄4 oder nur mit Kopf im Bild bin, hat super Chancen mein neuer Lieblingsfotograf zu werden!

Versetzt euch auch mal in das Model rein: Wenn die Pose unbequem scheint (und das sind die fotogenen Posen meistens) dann sagt Bescheid, wenn im Hintergrund grade 1000 Menschen durchs Bild latschen und das Model kurz entspannen kann. Meine Mama ist auch Fotografin und von der kam im Studio seit ich denken kann der Satz: „Achtung! Bitte nicht erschrecken!“ *Blitz* „Danke! Sie dürfen atmen!“

Daniela beim Morgenshooting
Zauberhafte Maskerade beim Morgenshooting am Markusplatz. Blick in die Sonne.

Und wo wir gerade bei Blitz und Licht sind: Klar schaut es super aus, wenn Licht in die Augen fällt… aber der schlaue Fotograf weiß, dass das schnell richtig weh tun kann und lässt sein Maskenmodell nicht stundenlang gegen die Sonne schauen.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, aber ich kann den ästhetischen Wert von Gruppenbildern mit Kostümen, die sichtbar nicht zusammen gehören nicht erkennen!

Das läuft meistens auf Masse statt Klasse raus. Es ist einfach etwas seltsam plötzlich mit fremden Kostümen gruppiert zu werden, die man vielleicht selber gar nicht so schön findet. Also fragt bei Gruppenbilder einfach nach ob das okay ist.

Das gilt natürlich nicht für Kostümgruppen, die offensichtlich zusammen gehören… Mich hat allerdings ein ganz gewiefter Fotograf mal mit meiner Freundin (im Partnerkostüm) und meiner Mama (im definitiv nicht dazu passendem Kostüm) zusammengestellt: Das ergab dann Mama-Katze, Papa-Katze und…ähhh… grüne Katze?!

Auf Tuchfühlung nach dem Gondelshooting.
Auf Tuchfühlung nach dem Gondelshooting.

Immer schön freundlich bleiben

Wenn ihr euch mit einer Maske verabredet habt und durch Venedig zieht, werden zwischendurch sicher auch Touristen und andere Fotografen Fotos machen wollen. Natürlich habt ihr wenn ihr euch verabredet eine Art Vorrecht… aber wir sind auch keine gebuchten und bezahlten Exklusivmodels!

Ich persönlich bleibe trotzdem ab und an stehen wenn mich Leute nett fragen. Zum einen dauert das auch nicht länger als wenn sie uns an der nächsten Brücke abfangen. Zum anderen habe auch ich mal so angefangen: Als Kind, mit Mamas Kamera in der Hand auf der Jagd nach Kostümen und happy über jedes noch so verwackelte Foto!

Ich meine, wenn alle Kostüme nur noch von Shooting zu Shooting rennen würden ohne jemals für Touristen stehen zu bleiben, dann könnten wir doch auch im Sommer nach Venedig fahren. Wärmer und leerer wär‘s dann zumindest! Behaltet das bitte im Kopf wenn euch mal jemand vor die Kamera latscht, mitfotografiert oder euch um Erlaubnis bittet auch zu fotografieren.

Und: Eine grundliegende Höflichkeit erwarte ich von allen Beteiligten!

Auf dem Weg zur nächsten Location
Felicitas auf dem Weg zur nächsten Shooting-Location

 

Und ganz zum Schluss noch etwas, das allen eigentlich klar sein müsste: Ein Kostüm kann noch so freizügig sein, es ist niemals eine Einladung zum Befummeln!

Spielerische Kommentare gerne- aber ich war doch recht entsetzt als ich in meinem Piratenkostüm plötzlich die Hand eines Unbekannten an meinem Bein hatte, und diese unter den Rock krabbeln wollte! Noch dazu stand ich auf einer Brüstung und war damit recht hilflos… glücklicherweise sind solche Rüpel aber in Venedig weit weniger verbreitet als in den deutschen Karnevalshochburgen und mir kamen gleich zahlreiche Gentlemen zu Hilfe.

Und der Rüpel würde sich wundern, wenn er wüsste, dass er hingebungsvoll zwei Thermostrumpfhosen liebkost hat und beinahe unsittlich meinen Angora Nierenwärmer berührt hätte!

Das war‘s mit unserem Venedig-Knigge! Auf tolle Motive, stets gutes Licht und vor allem megamäßig viel Spaß beim Shooten!

Ich gratuliere hiermit allen Lesern herzlich zu ihrem Knigge-Abzeichen… eure Urkunden könnt ihr dann nächstes Jahr in Venedig bei mir abholen!

 

Daniela Hahn
Autorin und Kostümdesignerin Daniela Hahn

https://www.facebook.com/zauberMaske/

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